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116 Mitarbeiter des Elektrobandherstellers ThyssenKrupp Electrical Steel in Bochum haben fünf Monate lang ihre Arbeitsschichten umgestellt – im Dienste der Wissenschaft und der eigenen Gesundheit. Im Rahmen einer Grundlagenforschung untersuchen Prof. Dr. Till Roenneberg und Dr. Céline Vetter von der Ludwig-Maximilians-Universität München das Thema Chronobiologie, das ist die zeitliche Organisation von Physiologie und menschlichem Verhalten.
„Wertvolle Forschungsdaten erhielt er von ThyssenKrupp Electrical Steel, einer unserer Tochtergesellschaften“, erklärt Dieter Kroll, Personalvorstand von ThyssenKrupp Steel Europe und Ideengeber des Projekts, das im Rahmen des Demografiemanagementprogramms ‚ProZukunft’ aufgelegt wurde. „Mitarbeiter der Adjustage haben an dem Projekt teilgenommen und dabei geholfen, wichtige Erkenntnisse für die Organisation von Schichtarbeit zu gewinnen.“ Die Ergebnisse der Studie sollen im Frühjahr 2013 vorliegen.
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Chronotypen „Lerche“ und „Eule“
„Unser Leben wird nicht nur von einer Uhr an der Wand bestimmt, sondern unterliegt auch dem Einfluss einer biologischen, inneren Uhr, die viele Abläufe innerhalb des Organismus steuert“, erklärt Roenneberg. Am deutlichsten zeige sich die innere Uhr des Menschen im Schlaf-Wach-Verhalten: „Das Zeitfenster, zu dem die innere Uhr den Menschen auf Schlaf oder Aktivität einstellt, ist bei jedem anders, man nennt diese Eigenschaft Chronotyp. Frühe Chronotypen, also die ‚Lerchen’, wachen schon früh morgens auf und gehen gerne früh zu Bett. Spättypen, umgangssprachlich ‚Eulen’ genannt, bevorzugen spätere Einschlafzeiten, wachen allerdings auch erst später auf.“
Schichtarbeit – auf die innere Uhr abgestimmt
Schichtarbeiter können aus diesem Grund, so Roenneberg, nur schwer ein Leben im Einklang mit der inneren Uhr führen: Denn ‚Lerchen’ schlafen im Vergleich zu ‚Eulen’ beispielsweise nach einer Nachtschicht deutlich kürzer, da ihre innere Uhr auf Aktivität eingestellt ist. Das verzögerte Einschlafen einer ‚Eule’, eines Spättyps also, sorgt dagegen für ein Schlafdefizit vor der Frühschicht – was entsteht, ist ein ‚sozialer Jetlag’: Die biologische und die soziale Uhr stimmen nicht überein. „Schlafmangel sowie Schlaf außerhalb des individuellen Schlaffensters kann verschiedene negative Effekte für die Gesundheit eines Menschen haben“, so Roenneberg. Man ist beispielsweise anfälliger für organische Erkrankungen, Übergewicht, und greift möglicherweise öfter zu Nikotin oder Alkohol.
Zeitgemäßes Gesundheitsmanagement
„Die Berücksichtigung des Chronotyps bei Schichtarbeit ist im Sinne der Gesundheit von Mitarbeitern ein wichtiger, aber bislang weltweit vernachlässigter Aspekt“, betont Kroll. „Wir haben die bislang schon bestehenden Laborerkenntnisse zu diesem Thema zum Anlass genommen, die Mitarbeiter eines Werksbereichs unserer Elektrobandherstellung für einen fünf Monate dauernden Feldversuch zu gewinnen. Hierbei haben wir das Schichtsystem so umgestellt, dass neben Produktivitätsanforderungen auch der Chronotyp der Schichtarbeiter berücksichtigt wird.“
Fragebogen, Uhr und Schlaftagebuch
Im Rahmen dieses Projekts wurde mit Hilfe eines ausführlichen Fragebogens zunächst der Chronotyp der teilnehmenden Mitarbeiter ermittelt. Nach Auswertung und Einteilung in neu geplante Schichten arbeiteten die Belegschaftsmitglieder dann innerhalb eines fünfmonatigen Testzeitraums soweit möglich ihrem Chronotyp entsprechend. Zu drei Zeitpunkten – im bestehenden System, kurz nach der Umstellung sowie am Ende der fünfmonatigen Projektphase – haben die Mitarbeiter spezielle Messgeräte zur Ermittlung der Aktivität getragen und ein Schlaftagebuch zur Erfassung von Langzeiteffekten geführt. Nach fünf Monaten wurden die Mitarbeiter wieder in ihr gewohntes Schichtsystem zurück überführt. Zusätzlich wurden sie nach ihrem Wohlbefinden und der sozialen Vereinbarkeit der jeweiligen Schichtsysteme befragt.
Auswertung läuft derzeit
Die im Rahmen des Projektes erhobenen Daten werden derzeit durch das Team von Prof. Roenneberg an der Uni München ausgewertet. Erste Ergebnisse gibt es frühestens im Frühjahr kommenden Jahres. „Durch die chronobiologische Anpassung des Schichtsystems erwarten wir die Verbesserung zahlreicher Faktoren – beispielsweise die Steigerung der Schlafdauer und die Verbesserung der Schlafqualität. Welche Resultate durch die Schichtumstellung im Detail erzielt werden können, können wir jedoch erst nach eingehender Auswertung der Daten sagen“, blickt Forscher Roenneberg in die Zukunft. Soweit die Untersuchung entsprechende Ergebnisse zu Tage fördert, könnte dies mittelfristig Einfluss auf die Schichtarbeit haben: „Eine Konsequenz könnte sein, dass man neu über die Wechselschichten und deren Wirkung auf die Menschen nachdenkt“, erklärt Projektpate Kroll: „Im Sinne der eigenen Gesundheit und des eigenen Wohlbefindens wäre es wünschenswert, wenn wir den individuellen Chronotyp der Mitarbeiter künftig bei der Einteilung von Schichten berücksichtigen könnten.“
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